Was für ein gelungener Einstieg nach der langen Sommerpause: mit 170 Besuchern ausverkauftes Haus, eine exzellente Band, die für eine tolle Stimmung sorgte, insgesamt also ein sehr gelungener Abend.
Gleich während des ruhigen Openers ,,SIeepy Time" stellte Bandleader Jürgen Stephan seine Band vor. Dann schlenderte Olivier Franc vom Vorraum durchs Publikum zur Bühne und leitete zu dem fetzigen ,,I've Found a New Baby" über. Sofort reagierte unser schon bei der Ansage als sehr kompetent eingeschätztes Publikum mit donnerndem Applaus.
Bei Veranstaltungen, bei denen einer eingespielten Band ein ,,Star"-Gast hinzugefügt wird, besteht immer die Gefahr, dass die Band nur den Hintergrund liefert für die große,,Show". Hier war von Beginn an zu sehen und zu hören, dass dieser Abend ganz anders läuft. Olivier Franc hat sich nahtlos in die Band eingefügt, hat Zurückhaltung gezeigt, wo es musikalisch notwendig war, hat da brilliert, wo ihm Raum gegeben wurde. Dass er durch seine sehr körperliche Bühnenpräsenz eher auffällt als seine eher ruhigen Mitspieler hat das Zusammenspiel in keinster Weise gestört.
Das zeigte sich vor allem bei den zahlreichen Kollektiv-lmprovisationen, die für diesen )azzstil typisch sind. Die Band verfügt über eine große stilistische Bandbreite und gibt jedem Spieler ausreichend Möglichkeiten, seine improvisatorischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Pianist Harold John v. Abstein, der unserem Club durch seine Tätigkeit bei ,,Roger and the Evolution" seit Jahren freundschaftlich verbunden ist, hatte gleich drei Soloauftritte, einmal mit dem,,Honky Tonk Train Blues" und einem Boogie-Woogie im Trio und einmal ganz allein mit einem Potpourri aus Fats Wallers ,,Fractious Fingering" und Joe Sullivans ,,Little Rock Getaway", wobei er den durchaus sehr komplexen ,,störrischen Fingersatz" von Waller sehr souverän gemeistert hat: viel anerkennender Applaus dafür. ln den Trioversionen waren Bass und Schlagzeug präzise-präsent, aber gleichzeitig zurückhaltend, so dass die oft filigranen Läufe des Pianisten voll zur Celtung kamen.
Schlagzeuger Roger Radatz ließ es sich nicht nehmen, ganz im Stil seiner Evolution-Band im zweiten Set ,,My Blue Heaven" und im dritten Set noch ,,You AIways Hurt the One You Love" vorzustellen: ersteres hart und zupackend, letzteres, eine wundervolle Ballade, wurde sehr dezent begleitet von Cordes Hauer auf der Posaune. Das eher schmalzige ,,Once in a while" stellte er dann in sehr ironisierender Form ohne zu trommeln direkt am Mikro vor dem Publikum vor: die Lacher hatte er dann auf seiner Seite.
Während Francs Cesang im typischen French-Creole-Style in ,,Lastic" und ,,Madame B6cassine" eher unspektakulär ist, glänzt er in den für Sidney Bechet typischen Stücken umso mehr. Vor allem in dem Doppelstück ,,Si Tu Vois Ma Mère" und ,,As- Tu Ie Cafard?" und in einer sehr kraftvollen Version von ,,Summertime" kam das deutlich zur Celtung. Sicher ein Höhepunkt das vom Publikum sehnlichst erwartete ,,Petite Fleur" gegen Ende des Konzerts, in dem Franc nochmals seine Könnerschaft auf dem nicht ganz einfach zu spielenden Sopransaxophon demonstrierte, unterstützt vom Trio und der dezenten Untermalung von Hauers Posaune.
Der Posaunist Cordes Hauer bot eine beeindruckende langsame Version von ,,Baby Won't You Please Come Home" dar: sein Gesang ist sehr individuell, ohne in den Fehler zu verfallen, Louis Armstrong kopieren zu wollen, er geht sehr souverän mit der Melodie um, und der sehr lange, sich steigernde gesangliche Abschluss beeindruckte das Publikum nachhaltig. Ein gehaltvolles Posaunensolo rundete diese schöne Interpretation ab. lnsgesamt Iegte Hauer eine eher unauffällige aber solide Basis unter die beiden quirligen sehr tonreichen Sopransaxophonisten.
Bassist Joachim Dette glänzte mit einigen längeren Soli, oft im typischen Oldtime-Slapstil wie in,,Saints", dem Opener des zweiten Sets und bei ,,Struttin'With Some Barbecue” und ,,Sidney's Wedding Day", einem schnellen swingenden Blues, gespielt schon fast im Stil von Brian Setzer mit fetten, kompakten Bläsersätzen. Jürgen Stephan erzählte dazu, dass Sidney Bechet dieses Stück zu seiner Hochzeit geschrieben habe und der Sohn von Bechet, mit dem Olivier Franc jetzt noch häufig auftritt, sein Publikum darauf hinweist, dass das auch sein ,,Geburtslied" sei.
lm Duo mit dem Pianisten stellte dann Jürgen Stephan ,,The Song of Songs" vor, eine Reminiszenz an Sidney Bechet und dessen Liebe zur klassischen Musik.
lm ,,Original Jelly Roll Blues" spielten Jürgen Stephan auf der Klarinette und Cordes Hauer auf der Posaune im Duett sehr viele unterschiedliche Bluesvarianten, was wohl an die Wurzeln des Jazz erinnern sollte. Der letzte Titel des Abends, ,,Sweet Georgia Brown", begann mit einer Paraphrase auf das Thema, bevor dann vom Sopransaxophon die allseits bekannte Melodie erklang. Nach dem Klaviersolo folgte ein sehr interessantes Posaunensolo und Olivier Francs sehr dynamischer Auftritt. Jürgen Stephan leitete dann über in ein schnelles 4/4 mit dem Drummer.
Die Verabschiedung und nochmalige Vorstellung aller Musiker wurde mit einem dezenten Blues unterIegt. Natürlich erklatschte sich das Publikum den ,,Royal Garden BIues" als Zugabe und verabschiedete die Band mit großem Applaus und Standing Ovations.
Ein sehr gelungener Jazzabend ging damit zu Ende.
Hubertus Neygenfind